Kinderkommission tagt zu minderjährigen Flüchtlingen
Als 15-jähriger floh Massud mit seinen zwei jüngeren Brüdern und seinen Eltern aus Afghanistan. Für die Familie war es egal wohin, Hauptsache weg von Bomben und Terror. Ihr Weg führte sie bis an die türkische Grenze – da hatten die drei Geschwister ihre Eltern schon aus den Augen verloren. Massud musste seine zwei Brüder zurücklassen und floh mit Booten über das Mittelmeer bis nach Griechenland. Dort angekommen lebte er einige Zeit von den Behörden unbemerkt auf der Straße. Über Frankreich floh er weiter bis nach Hamburg. In der Hoffnung dort ein Stückchen Familie zu finden. Massud wurde von den Deutschen Behörden als volljährig eingeschätzt und kam sofort in eine Sammelunterkunft – ohne Vormund, ohne Beistand eines Jugendamtes, ohne Familie. Nur durch Massuds Durchhaltevermögen gelang es ihm nachzuweisen, dass er minderjährig war. Damit fällt Massud in den Zuständigkeitsbereich der Jugendhilfe und wird begleitet und betreut. Seinen Brüdern ging es unterdes noch schlechter. Sie wurden von den Schleußern als zu jung für die Flucht über das Mittelmeer abgelehnt und mussten über Jahre als Kindersklaven arbeiten. Mittlerweile konnte der mittlere der drei Brüder ebenfalls fliehen und lebt in Berlin. Der Jüngste wartet noch immer in der Türkei auf die Möglichkeit legal nach Deutschland einzureisen.
Das Schicksal der Jungen ist keineswegs ein „Einzelfall“. Die Realität an den Grenzen Europas sieht leider so aus: Kinder fliehen, verlieren ihre Eltern, landen vollkommen traumatisiert und erschöpft auf europäischem Boden und werden wie Erwachsene behandelt, in Erstaufnahmestätten gebracht, danach nach dem Königsberger Schlüssel verteilt oder sogar abgeschoben.
In der zweiten Sitzung unter dem Vorsitz von Susann Rüthrich beschäftigte sich die Kinderkommission (Kiko) mit begleiteten und unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen.
Neben Massud standen Rechtsanwältin Berenice Böhlo und Thomas Berthold vom Fachverband für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge der Kiko als Expertin und Experte zur Verfügung.
Nach einer bewegenden Sitzung ist eines ganz klar: Egal in welchem Verfahren, egal in welcher Regelung, egal in welcher Behörde – das Kindeswohl muss die oberste Priorität haben.
Das heißt ganz konkret: Flüchtlingskindern muss durch eine bedarfsgerechte Betreuung durch das Jugendamt ohne jeden Zeitverzug geholfen werden. Persönliche Bindungen, egal ob familiär oder nicht, dienen der Stabilisierung dieser Kinder und dürfen keinesfalls durch Umverteilung oder Abschiebung gekappt werden. Sie müssen den Zugang zu Bildung und medizinischer sowie psychologischer Vollversorgung haben. Kinderspezifische Fluchtgründe müssen anerkannt werden.
Kinderrechte müssen für alle Kinder gelten. Deshalb ist es unsere Pflicht, Kindern Sicherheit und Unterstützung zu geben.