Raatz: EFI-Gutachten bescheinigt der Großen Koalition bedeutende Weichenstellungen in der Wissenschafts- und Forschungspolitik

Ende Februar wurde das Jahresgutachten 2015 der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) zu Forschung, Innovation sowie technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vorgestellt. Auch in diesem Jahr betonte die Kommission die Bedeutung von Bildung, Wissenschaft und Forschung für Beschäftigung und Wohlstand in unserem Land. Begrüßt wird insbesondere die von der Großen Koalition auf den Weg gebrachte Aufhebung des Kooperationsverbots in der Hochschul- und Wissenschaftsförderung. Damit kann der Bund zukünftig nicht mehr nur über Projekte, sondern auch dauerhaft Hochschulen finanziell unterstützen.

Weiterhin wird die komplette Übernahme der BAföG-Kosten durch den Bund von der Expertenkommission gutgeheißen und betont, dass die in den Ländern frei werdenden Mittel in ausreichendem Maße in die Grundfinanzierung der Hochschulen fließen sollten. So freut es mich sehr, dass in Sachsen von den jährlich freiwerdenden 85 Millionen Euro in 2015 und 2016 jeweils 56 Millionen Euro den Hochschulen, der Universitätsmedizin und den Berufsakademien zugutekommen.

Ebenfalls begrüßt wird der grundsätzliche Beschluss der Koalitionspartner, die „Pakte“ im Wissenschaftsbereich weiterzuführen. So hat die Koalition beschlossen, den von der ehemaligen SPD-Bildungsministerin Edelgard Bulmahn initiierten „Pakt für Forschung und Innovation“, der den außeruniversitären Forschungseinrichtungen einen kontinuierlichen Mittelaufwuchs garantiert, ebenfalls weiterzuführen.

Im Bereich der Unternehmensgründungen weisen die Experten der EFI-Kommission darauf hin, dass im Jahr 2012 die Gründungsrate in Deutschland rund 8 Prozent betrug und damit deutlich unter der Gründungsrate von Großbritannien lag, die mit 11,8 Prozent den höchsten Wert innerhalb Europas aufwies. Im bundesweiten Vergleich gibt es im Bereich der Gründungsraten weiterhin erhebliche Unterschiede: So nehmen die ostdeutschen Flächenländer nach wie vor die hinteren Ränge ein.

Das komplette Gutachten gibt es hier.

Thomas Jurk: Bericht aus Berlin

1. Klausurtagung der SPD-Bundestagsfraktion

Auf unserer Jahresauftaktklausur Anfang Januar haben wir uns intensiv mit dem Thema Zuwanderung beschäftigt und waren uns darin einig, dass Deutschland wirtschaftlich auf Zuwanderung angewiesen ist. Denn aufgrund der Alterung unserer Gesellschaft wird Deutschland in den kommenden Jahren jährlich rund 400.000 Arbeitskräfte verlieren. Diese Lücke lässt sich weder durch die höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen noch durch die Nachqualifizierung von Beschäftigten und Arbeitslosen schließen. Deshalb brauchen wir unbedingt die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte, auch um die Renten in einer alternden Gesellschaft künftig finanzieren zu können. Daher ist klar: Wer gegen Zuwanderung agitiert, gefährdet unseren Wohlstand und setzt unsere Renten aufs Spiel! Eine ehrliche Debatte, die die Vorteile der Zuwanderung deutlich macht, ohne die Probleme zu verschweigen, ist überfällig. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, das einen klaren und übersichtlichen Rahmen für die Zuwanderung schafft. Und selbstverständlich muss Deutschland auch in Zukunft seiner humanitären Verantwortung gerecht werden und Flüchtlinge aus Kriegsgebieten aufnehmen. Damit diese Menschen die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben bekommen, müssen sie möglichst schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden – zumal viele gut ausgebildete Handwerker und Akademiker unter ihnen sind. Deshalb haben wir durchgesetzt, dass Asylsuchende künftig bereits nach 3 Monaten eine reguläre Arbeit aufnehmen können. Zudem wollen wir die frühzeitige Förderung von Sprachkompetenz intensivieren sowie die gezielte Arbeitsvermittlung von Flüchtlingen und Einwanderern stärken.

Wir wollen die Lebenswirklichkeit der Menschen im Blick behalten. Deshalb haben wir auf unserer Klausur außerdem darüber diskutiert, welche Themen die Bürgerinnen und Bürger über die Vorhaben im Koalitionsvertrag hinaus bewegen. Im Mittelpunkt unserer Diskussion stand dabei die Generation der 30- bis 50-Jährigen, die durch Beruf, Kindererziehung, Pflege der eigenen Eltern und Sorge um die eigene Absicherung im Alter besonders stark beansprucht ist. Ihre Bedürfnisse wollen wir stärker in den Blick nehmen. Die SPD-Bundestagsfraktion wird in der zweiten Jahreshälfte deshalb einen Dialogprozess mit Vertretern der Zivilgesellschaft in Gang setzen, um konkrete Antworten zu formulieren. Wir haben zudem über unsere Arbeitsschwerpunkte für das Frühjahr 2015 gesprochen.

2. Anschläge in Frankreich und geplante Maßnahmen auf Bundesebene

Die erste Sitzungswoche 2015 stand unter dem Eindruck der furchtbaren Terroranschläge in Frankreich. Am 15. Januar waren die Abgeordneten des Deutschen Bundestages im Plenum erschienen, um der ermordeten Menschen von Paris zu gedenken. Nach einer Rede des Bundestagspräsidenten Lammert gab Kanzlerin Angela Merkel eine Regierungserklärung ab. In der anschließenden Aussprache bezeichnete unser Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann die Anschläge in Paris als gezielten Angriff auf die freie Presse. „Das war der Versuch, freie Menschen in einer offenen Gesellschaft einzuschüchtern“.

Jeder Mensch muss in Deutschland in Frieden und ohne Angst leben können. Die Sicherheit in unserem Land werden wir deshalb mit allen Mitteln des Rechtsstaats verteidigen. Dort wo es notwendig ist, werden wir zügig handeln und den Schutz vor terroristischen Anschlägen wirksam verstärken. Bereits in der vergangenen Woche wurde der Entwurf eines Gesetzes im Kabinett beschlossen, der den Entzug des Personalausweises für ausreisewillige Dschihadisten ermöglicht. Bislang konnte nur der Reisepass entzogen werden, so dass eine Ausreise mit dem Personalausweis vor allem über die Türkei nach Syrien noch möglich war. Diese Lücke wird jetzt geschlossen. Weitere Gesetzesvorhaben sind geplant. So soll künftig bestraft werden können, wer in der Absicht, terroristisch tätig zu werden, aus Deutschland ausreist. Darüber hinaus soll ein eigener Straftatbestand „Terrorismusfinanzierung“ geschaffen werden. Mit diesen Vorhaben sind wir gut aufgestellt und werden die Debatte um neue Gesetze mit Augenmaß führen.

Ebenso wichtig wie neue Gesetze sind aber eine enge Kooperation der Sicherheitsbehörden sowie deren gute finanzielle und personelle Ausstattung. Terrorismus bekämpft man nicht allein durch neue oder verschärfte Gesetze. Es gilt nun zu prüfen, ob unsere Sicherheitsbehörden das erforderliche Personal und die notwendige Sachausstattung besitzen, um potenzielle Gefährder in unserem Land so zu beobachten, dass die Gefahr terroristischer Anschläge – so gut es irgend möglich ist – minimiert wird. Auch ist eine intensivere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden auf nationaler und internationaler Ebene notwendig. Begleitend zu den Maßnahmen zur akuten Terrorabwehr bedarf es jedoch einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung, um eine weitere Radikalisierung junger Menschen in Deutschland und Europa schon in den Anfängen zu verhindern.

3. Gesunde Ernährung stärken – Lebensmittel wertschätzen

In der ersten Sitzungswoche des Jahres gab es natürlich auch noch andere Themen. So wurde über einen Antrag der Koalitionsfraktionen zur gesunden Ernährung debattiert. Denn immer mehr Kinder aus bildungs- und einkommensschwachen Familien sind von Fehlernährung betroffen. Ziel des Antrags ist es, die Qualität u.a. durch einen Ernährungs-TÜV und eine stärkere Verpflichtung der Anbieter auf Qualitätsstandards zu verbessern. Außerdem soll gesunde Ernährung in der nationalen Präventionsstrategie im Rahmen der Erarbeitung des Präventionsgesetzes eine besondere Rolle spielen.

4. Meldeverfahren in der sozialen Sicherung optimieren

In erster Lesung wurde zudem über einen Gesetzentwurf diskutiert, wonach das Meldeverfahren in den Sozialversicherungen verbessert werden soll, um Unternehmen und Behörden von bürokratischem Aufwand zu befreien. Unter anderem sollen Bescheinigungsdaten künftig elektronisch an die Rentenversicherung übertragen werden können. Durch die Änderung von Definitionen sollen zudem die elektronischen Meldeverfahren rechtssicherer werden. Auch wird das Waisenrentenrecht an das Steuer- und Kindergeldrecht angeglichen und die Einkommensanrechnung vereinfacht.

5. Zusammenarbeit der Polizei- und Zollbehörden mit Polen verbessern

In erster Lesung wurde auch über die Verbesserungen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Polen im Polizei- und Zollbereich diskutiert. Dazu haben die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen am 15. Mai 2014 ein Abkommen unterzeichnet, mit dem die Zusammenarbeit vertieft wird. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht die Umsetzung dieses Abkommens vor.

Kinderkommission tagt zu minderjährigen Flüchtlingen

Als 15-jähriger floh Massud mit seinen zwei jüngeren Brüdern und seinen Eltern aus Afghanistan. Für die Familie war es egal wohin, Hauptsache weg von Bomben und Terror. Ihr Weg führte sie bis an die türkische Grenze – da hatten die drei Geschwister ihre Eltern schon aus den Augen verloren. Massud musste seine zwei Brüder zurücklassen und floh mit Booten über das Mittelmeer bis nach Griechenland. Dort angekommen lebte er einige Zeit von den Behörden unbemerkt auf der Straße. Über Frankreich floh er weiter bis nach Hamburg. In der Hoffnung dort ein Stückchen Familie zu finden. Massud wurde von den Deutschen Behörden als volljährig eingeschätzt und kam sofort in eine Sammelunterkunft – ohne Vormund, ohne Beistand eines Jugendamtes, ohne Familie. Nur durch Massuds Durchhaltevermögen gelang es ihm nachzuweisen, dass er minderjährig war. Damit fällt Massud in den Zuständigkeitsbereich der Jugendhilfe und wird begleitet und betreut. Seinen Brüdern ging es unterdes noch schlechter. Sie wurden von den Schleußern als zu jung für die Flucht über das Mittelmeer abgelehnt und mussten über Jahre als Kindersklaven arbeiten. Mittlerweile konnte der mittlere der drei Brüder ebenfalls fliehen und lebt in Berlin. Der Jüngste wartet noch immer in der Türkei auf die Möglichkeit legal nach Deutschland einzureisen.

Das Schicksal der Jungen ist keineswegs ein „Einzelfall“. Die Realität an den Grenzen Europas sieht leider so aus: Kinder fliehen, verlieren ihre Eltern, landen vollkommen traumatisiert und erschöpft auf europäischem Boden und werden wie Erwachsene behandelt, in Erstaufnahmestätten gebracht, danach nach dem Königsberger Schlüssel verteilt oder sogar abgeschoben.

In der zweiten Sitzung unter dem Vorsitz von Susann Rüthrich beschäftigte sich die Kinderkommission (Kiko) mit begleiteten und unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen.

Neben Massud standen Rechtsanwältin Berenice Böhlo und Thomas Berthold vom Fachverband für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge der Kiko als Expertin und Experte zur Verfügung.

Nach einer bewegenden Sitzung ist eines ganz klar: Egal in welchem Verfahren, egal in welcher Regelung, egal in welcher Behörde – das Kindeswohl muss die oberste Priorität haben.

Das heißt ganz konkret: Flüchtlingskindern muss durch eine bedarfsgerechte Betreuung durch das Jugendamt ohne jeden Zeitverzug geholfen werden. Persönliche Bindungen, egal ob familiär oder nicht, dienen der Stabilisierung dieser Kinder und dürfen keinesfalls durch Umverteilung oder Abschiebung gekappt werden. Sie müssen den Zugang zu Bildung und medizinischer sowie psychologischer Vollversorgung haben. Kinderspezifische Fluchtgründe müssen anerkannt werden.

Kinderrechte müssen für alle Kinder gelten. Deshalb ist es unsere Pflicht, Kindern Sicherheit und Unterstützung zu geben.

Dresdner SPD Frauen fordern: Ein Leben ohne Angst in Dresden für alle!

Dorothée Marth, Vorsitzende der SPD im Ortsamt Prohlis, zu dem auch die Johannes-Paul-Thilmann-Straße, der Ort des Verbrechens, gehört, ist schockiert über das Gewaltverbrechen an Khaled Idris Bahray. Mit der Angst aller hier lebenden Menschen fordert sie einen angemessenen und deutlichen Umgang. „In einer freien Gesellschaft zu leben, bedeutet, sich ohne Angst um Leib und Leben zu jeder Tageszeit und an jedem Tag der Woche frei bewegen zu können. Dies ist in Dresden derzeit eben nicht unabhängig von Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit für alle Menschen gegeben. Ein unerträglicher Zustand.“

Deshalb fordert Karin Luttmann, Vorsitzende der SPD Frauenorganisation ASF, die Dresdner Stadtgesellschaft und Politik auf, ein deutliches Zeichen zu setzen. „Am Sonnabend, 15 Uhr auf dem Gorge-Gormondai-Platz haben die 35.000, die vergangene Woche „Für Dresden“ demonstriert haben, eine Chance: Sie können zeigen, dass sie für die Freiheit aller Menschen in Dresden, eben auch für die der Geflüchteten, aktiv eintreten. Ich hoffe auf eine großes Zeichen der Solidarität und des Mitgefühls durch eine breite Teilnahme der Dresdner Bevölkerung und der verantwortlichen Politikerinnen und Politiker in Stadt und Land.“

Luttmann berichtet: „Bei der Vernissage des interkulturellen Frauentreffs des Ausländerrats am Montagnachmittag wurde diese Angst eindrücklich geschildert. Einige Kopftuch tragende Dresdnerinnen muslimischen Glaubens trauen sich derzeit montags nicht auf die Straße. Sie denken an die Ermordung Marva El Sherbinis. Bei der Kundgebung der Dresdner Kulturschaffenden sprach eine jüdische Dresdnerin von ihrem Traum, dass ihr Mann und ihr Sohn irgendwann einmal in Dresden mit einer Kippa auf dem Kopf auf die Straße gehen können. Ich bin beschämt, dass die Religionsfreiheit in Dresden ganz offensichtlich nicht gewährleistet ist. Ein Zeichen für die Kopftuch tragenden Frauen wäre es, wenn endlich ein Platz oder eine Straße nach der ermordeten Marva El Sherbini benannt wird.“

Sie ergänzt: „Die staatlichen Sicherheitsorgane und der zuständige Innenminister Ulbig müssen handeln, um Sicherheit und Freiheit für alle zu gewährleisten. Angemessene politische Reaktion und deutliches Signal für Humanität gegenüber Geflüchteten wäre zudem ein sofortiger Abschiebestopp in Sachsen. Für eine nachhaltige Veränderung des gesellschaftlichen Klimas muss ein respektvolles Miteinander der Menschen unterschiedlicher Herkunft und Hautfarbe auch Ziel der schulischen Bildung sein.“

Neues aus Brüssel

Constanze Krehl, Mitglied des Europäischen Parlaments, über Pläne für ein neues Investitionspaket:

Neben der Sächsischen Staatsregierung ist bekanntlich auch die EU-Kommission neu im Amt. In dieser Woche stellte Präsident Jean-Claude Juncker die Pläne für ein neues Investitionspaket vor. In Europa klafft eine enorme Investitionslücke; seit Jahren fordern Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten deswegen andere Mittel als einseitige Kürzungen gegen die Krise. Juncker steht als ehemaliger Finanz- und Premierminister Luxemburgs allerdings auch im Zentrum der Enthüllungen um die “Luxemburg-Leaks”. Die bestätigen jahrelange Vorwürfe der Sozialdemokratie, dass einige Staaten Europas Konzerne auf Kosten von Steuerzahlerinnen und -zahlern ins Land locken. Gegen die grassierende Steuerflucht fordern wir im Europäischen Parlament seit langem eine Reaktion der EU-Kommission: Unseren sieben Punkte umfassenden Forderungskatalog findet Ihr unten.

Doch vorher noch etwas wirklich Erfreuliches: Das vor fünf Jahren von mir und einer österreichischen Kollegin initiierte und von der EU geförderte Kooperationsprojekt der Gemeinde Klipphausen-Triebischtal mit dem Burgenland in Österreich wird fortgesetzt. In Sachsen werden kulturelle Erlebnisse für Familien sowie die Bewahrung des Mühlen-Erbes und denkmalgeschützter Bauten finanziert. So konnte in Miltitz die Barockkirche von 1741 in den vergangenen zwei Jahren restauriert werden. Der Mühlenkater Alfred als neues Maskottchen im Triebischtal sorgt mit der Mühlengemeinschaft für Erlebnisse der Familien zum Mühlentag. Für die kommenden Jahre plant die Gemeinde u.a. einen Wanderweg und einen Ausbau des im 16. Jahrhundert angelegten Esskastanienhains.

Steuervermeidung stoppen: Sieben Forderungen der Europa-SPD

Definition von Steueroasen vornehmen und wirksame Sanktionen verhängen

Im Dezember 2012 hat die EU-Kommission Kriterien zur Ermittlung von Drittländern, die Mindeststandards für verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich nicht einhalten, vorgelegt. Diese sind mit existierenden OECD-Standards zu Transparenz und Informationsaustausch kompatibel und erweitern diese. Bis Ende 2014 sollen die identifizierten Staaten auf einer europäischen schwarzen Liste veröffentlicht werden. Gegen nicht-kooperative Steueroasen sollten systematisch und europäisch koordiniert sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft werden: Doppelbesteuerungsabkommen neu verhandeln, aussetzen oder beenden, Finanztransaktionen mit Sonderabgaben belegen, Investitionen und Staatshilfen einfrieren, Zweigstellen europäischer Banken in diesen Drittstaaten schließen.

Automatischen Informationsaustausch verbindlich umsetzen und auf alle Länder ausweiten

Anfang November wurde auf der Weltsteuerkonferenz in Berlin ein Abkommen unterzeichnet, in dem sich 51 Länder verpflichten, ab Januar 2017 Daten über Auslandskonten von Privatpersonen zu erheben und untereinander auszutauschen (Kontostände, Zinsen, Veräußerungsgewinne). Eine verbindliche Umsetzung muss gewährleistet werden, und das Abkommen muss zeitnah auf alle
Länder weltweit ausgeweitet werden.

Steuerbetrug begünstigenden Banken notfalls die Lizenz entziehen

Gegen europäische Banken und Zweigstellen außereuropäischer Banken in der EU, die Steuerbetrug gezielt ermöglichen oder begünstigen, soll strenger vorgegangen werden. Dies gilt auch für Banken, die Kooperation mit Steuerverwaltung und Aufsichtsbehörden verweigern. Dabei soll neben der Verurteilung zu Strafzahlungen auch der Entzug der Banklizenz geprüft werden. Die Mitgliedstaaten
müssen nationalen Aufsichtsbehörden und der gemeinsamen europäischen Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank in absehbarer Zeit entsprechende Kompetenzen erteilen.

Unternehmen zur Offenlegung entrichteter Steuern ‚Land für Land‘ verpflichten

Um Steuervermeidung grenzüberschreitend tätiger Unternehmen einzudämmen, sollen diese offenlegen, wo sie welche Gewinne erzielen und welche Steuern entrichten. Das Europäische Parlament hat das sogenannte ‚Country-by-Country Reporting‘ bereits für Finanzinstitute und Unternehmen, die in der Rohstoffindustrie und der Forstwirtschaft tätig sind, durchgesetzt. Im Interesse von
Steuerzahlern und Investoren sind die Mitgliedstaaten gefordert, die Ausweitung der Regel auf alle Großunternehmen zu unterstützen. Die EU-Kommission soll von Ihrem Initiativrecht Gebrauch machen und einen entsprechenden Umsetzungsvorschlag vorlegen. Die Mitgliedstaaten sollen zudem dafür Sorge tragen, dass die OECD-Initiative gegen Aushöhlung der Besteuerungsgrundlage und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting, BEPS) im Rahmen der G-20 vorangetrieben wird. In diesem Zusammenhang – Unternehmen sollen dort ihre Steuern zahlen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften!

Mehrwertsteuerbetrug bekämpfen

Die Einnahmeausfälle durch Mehrwertsteuerbetrug in der EU beliefen sich im Jahr 2012 auf 16% der gesamten Mehrwertsteuereinnahmen. Daher soll die EU-Kommission bis Frühjahr 2015 konkrete Vorschläge vorlegen, wie man den Mehrwertsteuerbetrug bekämpfen kann.

Unternehmensbesteuerung europäisch harmonisieren

Die gemeinsame konsolidierte Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer soll bis 2018 harmonisiert werden. Darüber hinaus soll die Wahlfreiheit für Unternehmen eingeschränkt werden, die sonst zwischen nationalen Steuersätzen und einem gesamteuropäischen Steuersatz abwägen könnten. Das Europaparlament hat die gemeinsame konsolidierte Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer mit breiter Mehrheit verabschiedet. Daneben brauchen wir einen Mindeststeuersatz bei der Unternehmensbesteuerung. Im gemeinsamen Binnenmarkt dürfen Wirtschaftsstandorte nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Personalausstattung der Steuerbehörden erhöhen

Steuerbehörden müssen mit ausreichend Personal und Ressourcen ausgestattet sein, um die Steuern einzusammeln und Vergehen entsprechend verfolgen und bestrafen zu können. Dieser Schritt, der einen entscheidenden Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit leisten wird, wird sich selber finanzieren.

Neues aus Berlin

Thomas Jurk, MdB, berichtet u.a. über den Bundeshaushalt 2015, den Investitionsfonds und das Rentenpaket:

  1. Bundeshaushalt 2015Die Sitzungswoche Ende November stand im Zeichen des Haushaltes 2015. Zum ersten Mal seit 1960 wurde ein Bundeshaushalt ohne neue Schulden verabschiedet. Wir stoppen damit das Anwachsen des Schuldenberges und durchbrechen die Schuldenspirale, was in der Vergangenheit selbst in konjunkturell guten Zeiten nie gelungen ist. Damit verwirklichen wir ein zentrales Ziel sozialdemokratischer Politik, wie wir es auf dem Bundesparteitag 2011 und im Regierungsprogramm 2013 beschlossen haben.
    Ein Bundeshaushalt ohne neue Schulden soll nicht einmalig sein, sondern ist unser Anspruch für die kommenden Jahre. Wir werden alles daran setzen, dass wir auch in den nächsten Haushaltsjahren ohne neue Schulden auskommen. Allerdings muss man ehrlicherweise sagen, dass dies nicht allein in unserer Hand liegt, sondern auch von Faktoren abhängt, die sich unserer Kontrolle entziehen – wie zum Beispiel die Krisen in der Ukraine, im Nordirak, in Syrien oder die Ebola-Epidemie in Westafrika, die wirtschaftliche Entwicklung in unseren europäischen Partnerländern, die Entwicklung von Wirtschaft und Beschäftigung in Deutschland oder der Inflationsraten und Zinskurven in den nächsten Jahren. Die jüngste Steuerschätzung errechnete für den Bund mit 5,5 Mrd. EUR weniger Einnahmen in den Jahren 2015 bis 2018 als noch die Mai-Steuerschätzung. Gleichzeitig werden trotz anhaltender Konjunktur höheren Ausgaben für Langzeitarbeitslose prognostiziert. Dagegen profitieren wir von den historisch niedrigen Zinsen für deutsche Staatsanleihen – sollten diese sich wieder auf das jahrelang übliche Niveau zu bewegen, summierten sich die Mehrausgaben schnell auf 10 bis 20 Mrd. EUR.
  2. InvestitionspaketFür die Jahre 2016 bis 2018 wird ein Investitionspaket mit insgesamt 10 Mrd. EUR aufgelegt: Ab dem Haushalt 2016 wird die SPD-Forderung umgesetzt, dass die Ausgaben für das Betreuungsgeld aus dem Gesamthaushalt finanziert werden und nicht über Einsparbeiträge der einzelnen Ministerien. Damit werden in den Jahren 2016, 2017 und 2018 jeweils 1 Mrd. EUR frei – insgesamt also 3 Mrd. EUR –, die direkt in den Ressorts für Investitionen genutzt werden sollen. Die restlichen 7 Mrd. EUR sind als Verpflichtungsermächtigung (VE) für „Zukunftsinvestitionen insbesondere für öffentliche Infrastruktur und Energieeffizienz“ den Einzelplan 60 (Allgemeine Finanzverwaltung) eingestellt (2,1 Mrd. EUR für 2016, 2,4 Mrd. EUR für 2017 und 2,5 Mrd. EUR für 2018). In welche Bereiche diese Investitionen im Einzelnen fließen werden, wird in der nächsten Zeit die Bundesregierung gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen entscheiden. Bis zu dieser Entscheidung sind die Mittel gesperrt.
  3. Rente – solide finanzieren und gerecht gestaltenMit dem Rentenpaket haben wir im Juli umfangreiche Leistungsverbesserungen umgesetzt. Bislang haben – wie prognostiziert – 163.000 Rentenversicherte einen Antrag auf abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren gestellt. Der aktuelle Rentenversicherungsbericht zeigt: Die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung sind solide finanziert. Aktuell verfügt die Rentenkasse über eine Reserve von über 33 Mrd. EUR. Die gesetzliche Obergrenze von 1,5 Monatsausgaben für die Rücklage wird voraussichtlich Ende des nächsten Jahres überschritten werden. Das macht nach geltendem Recht eine Beitragssenkung auf 18,7 Prozent zum 1. Januar erforderlich. Damit entlasten wir zugleich Beschäftigte und Unternehmen um jährlich 1 Mrd. EUR. Daneben hat sich die Erwerbstätigenquote der 60 bis 64 Jährigen gegenüber dem Jahr 2000 auf heute 50 % mehr als verdoppelt. Unser Ziel ist, dass Beschäftigte möglichste lange und gesund am Arbeitsleben teilhaben können. Deshalb erarbeiten wir derzeit Vorschläge, wie wir die Übergänge in die Rente bis zur Regelaltersgrenze flexibler gestalten können.
  4. GleichstellungAb 2016 müssen in börsen- und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen mindestens 30 % der Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzt sein. Wird diese Quote unterschritten, bleiben die Aufsichtsmandate unbesetzt („Leerer Stuhl“). Der Bund geht mit gutem Beispiel voran: In Aufsichtsgremien, in denen dem Bund mindestens drei Sitze zustehen, soll ab 2018 für diese Mandate sogar eine Quote von 50 % bei Neubesetzungen erfüllt sein.
  5. FlüchtlingeÜber 50 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Auch in Deutschland suchen derzeit 200.000 Flüchtlinge Schutz vor Krieg und Gewalt. Um die Kommunen bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu unterstützen, haben sich der Bund und die Länder auf ein Gesamtkonzept verständigt. Aus Bundessicht sieht das wie folgt aus:

    • 2015 sollen zusätzliche Hilfen in Höhe von 500 Mio. EUR zur Verfügung gestellt werden und weitere 500 Mio. EUR im Jahr 2016, falls die besondere Situation fortbesteht.
    • Im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes sowie durch Übernahme von Impfkosten werden Kommunen und Länder zudem ab 1. Januar 2015 jährlich insgesamt um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag entlastet.
    • Bundesimmobilien werden zur Unterbringung von Flüchtlingen künftig mietzinsfrei überlassen, wodurch Kommunen und Länder jährlich rund 25 Mio. EUR Mietkosten einsparen.

    Viele Menschen, die bei uns Schutz suchen, sind gut ausgebildet und wollen sich mit ihren Fähigkeiten in unsere Gesellschaft einbringen. Um Flüchtlingen zu helfen und sie bei der Integration in unsere Gesellschaft zu unterstützen, sieht ein entsprechender Gesetzentwurf erhebliche rechtliche Verbesserungen vor: Asylsuchende sollen schneller eine Arbeit aufnehmen und selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Die Vorrangprüfung für Asylbewerber und Geduldete nach 15 Monaten entfällt. Sie entfällt sofort, wenn die Betroffenen hochqualifiziert sind oder eine deutsche oder in Deutschland anerkannte Ausbildung haben. Sie erhalten einen besseren Zugang zu Sprachkursen. Die Residenzpflicht wird aufgehoben. Jedoch bleibt die Wohnsitzauflage für Asylbewerber und Geduldete, deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist, bestehen, um eine gerechte Verteilung der Kosten zwischen Ländern sowie Kommunen zu gewährleisten. Asylanträge werden künftig schneller bearbeitet. Im Asylbewerberleistungsgesetz sollen künftig Geldleistungen gegenüber Sachleistungen vorrangig sein.

  6. Kommunen stärker entlastenEs gehört zu den prioritären Aufgaben in dieser Legislaturperiode Kommunen weiter finanziell zu entlasten und ihre Handlungsfähigkeit zu sichern. Mit dem geplanten Gesetz sollen die Kommunen im Vorgriff auf die Entlastungen im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes zusätzliche Hilfen in Höhe von jährlich 1 Mrd. EUR in den Jahren 2015 bis 2017 erhalten. Dies soll hälftig durch einen höheren Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft sowie einen höheren Anteil der Gemeinden an der Umsatzsteuer umgesetzt werden. Im Rahmen des geplanten Gesetzes soll zudem das bestehende Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ auf 1 Mrd. EUR aufgestockt werden. Um die Beteiligung des Bundes an den Betriebskosten der Kinderbetreuung zu erhöhen, ist vorgesehen, zusätzlich den Länderanteil an der Umsatzsteuer zulasten des Bundes in den Jahren 2017 und 2018 um jeweils 100 Mio. EUR anzuheben.
  7. Familie, Pflege und Beruf besser vereinbarenMit dem geplanten Gesetzentwurf soll mehr Rechtsicherheit und Flexibilität sowie eine bessere finanzielle Absicherung für Berufstätige bei der Pflege von Angehörigen geschaffen werden. Vorgesehen ist, die bestehenden Möglichkeiten des Pflegezeit- und des Familienpflegezeitgesetzes zusammenzuführen und mit einem Rechtsanspruch zu versehen. Zukünftig soll es für zehn Tage Pflegezeit zur Organisation einer akut auftretenden Pflegesituation eine Lohnersatzleistung in Form eines Pflegeunterstützungsgeldes geben. Insgesamt können Beschäftigte maximal 24 Monate Pflege- und Familienpflegezeit in Anspruch nehmen. Mit der neuen Familienpflegezeit haben Beschäftigte einen Rechtsanspruch gegenüber ihrem Arbeitgeber auf eine teilweise Freistellung bei einem Beschäftigungsumfang von mindestens 15 Stunden. Die geplanten Neureglungen sollen auch für Eltern und Angehörige von pflegebedürftigen Kindern gelten, die nicht zu Hause, sondern in einer außerhäuslichen Einrichtung betreut werden. Auch ist vorgesehen, den Begriff des „nahen Angehörigen“ um Stiefeltern, lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften und Schwägerinnen bzw. Schwager zu erweitern. Um Einkommensverluste während der Pflege besser auszugleichen, sollen Beschäftigte ein zinsloses Darlehen in Anspruch nehmen können. Für die Begleitung schwerstkranker Angehöriger in der letzten Lebensphase besteht künftig ein Anspruch auf berufliche Freistellung für maximal drei Monate.
  8. Pkw-Maut: Es gilt der KoalitionsvertragDer Koalitionsvertrag ist klar: Die PKW-Maut muss mit dem europäischen Recht vereinbar sein. Es darf auch keine zusätzliche Belastung der deutschen Autofahrer durch die Einführung der PKW-Maut geben. Eine Mehrbelastung durch die Hintertür ist für uns nicht akzeptabel. Am Ende entscheidet der Bundestag. Für die SPD gilt der Koalitionsvertrag. Mit anderen Worten: Wir werden keinem Gesetz zur PKW-Maut zustimmen, in dem etwas anderes drinsteht.
  9. Fracking – strenge Regeln für wirksamen UmweltschutzSchutz von Mensch und Umwelt haben absolute Priorität bei der Anwendung neuer Technologien. Dies gilt auch für die Gasförderung in tiefergelegenen Gesteinsschichten durch hydraulische Druckverfahren (sog. „Fracking“). Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks haben nun ein gemeinsames Regelpaket vorgelegt. Danach bleibt das „unkonventionelle“ Fracking – das beispielsweise in den USA angewendet wird – generell und auf Dauer verboten. Nach 2018 können kommerzielle Bohrungen bis zu einer Tiefe von 3000 Metern nur dann durch die Bergbau- und Wasserbehörden der Länder genehmigt werden, wenn eine unabhängige Expertenkommission zuvor deren Unbedenklichkeit bestätigt hat. Sensible Gebiete, die zur Trinkwassergewinnung genutzt werden, oder Naturschutzgebiete sind von vornherein als potenzielle Fördergebiete ausgeschlossen. Damit werden in Deutschland insgesamt die weltweit strengsten Auflagen für Fracking gelten.